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Ein etwas anderer Rückblick auf das Jubiläum der Kinderbücherei

Wanda wundert sich

Die Spinne Wanda lebte schon seit einigen Jahren im Feuerwehrhaus in Friedensdorf. Als alt eingesessene Bewohnerin konnte sie eigentlich nicht viel erschrecken. Sie war es gewohnt, ihr Netz in aller Ruhe zu spinnen und die Ausbeute darin war stets reichlich. Sogar die grelle Sirene, die hin und wieder zum Feuerwehreinsatz rief, konnte sie nicht aus der Ruhe bringen. Wanda kannte die herbeieilenden Feuerwehrleute, die sich in ihre Kleidung warfen und davonbrausten nur zu gut.  All das war ihr vertraut und so ließ es sich für Wanda hier gut leben.

Doch das sollte sich bald ändern.

Am Morgen des 18.5.24 bemerkte Wanda schon früh etwas Ungewöhnliches, das sie in ihrer täglichen Routine störte. Auf dem Hof der Feuerwache sammelten sich einige Erwachsene und Kinder. Die Türen und Tore wurden aufgerissen, viele Dinge angeschleppt und Sachen hin und her getragen. Wandas Neugier war geweckt und sie machte sich auf zu einem Platz, an dem sie alles genau beobachten konnte.

Diese Leute schienen nicht von der Feuerwehr zu sein. Wobei vielleicht auch schon, denn der eine bewegte sich ganz vertraut in Wandas zuhause und kam ihr irgendwie auch bekannt vor.  Aber die anderen? Merkwürdig! Wanda hörte sie übers Wetter reden und diskutieren, was an welchem Platz stattfinden sollte. Was die wohl im Schilde führten?!

Nach einigen Stunden Rumgeräume und viel Geputze, was Wanda ja ganz und gar nicht leiden konnte, kehrte wieder Ruhe ein in der Feuerwache Friedensdorf. Etwas irritiert und auch müde machte sich die kleine Spinne auf den Weg zurück in ihr Netz, denn das hatten die Menschen zum Glück nicht gefunden. Nach einem ausgiebigen Mittagsschlaf verlief Wandas Tag nicht weiter ungewöhnlich und sie widmete sich der Pflege ihres Netzes. Das war eigentlich eine von Wandas Lieblingsaktivitäten, bei der sie sich vorzüglich entspannen konnte. Doch das wollte ihr heute einfach nicht recht gelingen. Sie beschäftige unentwegt eine Frage, die sie einfach nicht zur Ruhe kommen ließ: Was hatten diese Menschen vor? Müde vom Spinnen, hängte sie sich abends an ihren Faden und schlief ein.

Am nächsten Morgen (19.5.24) wurde Wanda schon früh aus ihrem Spinnentraum gerissen. Die Menschen waren zurück. Noch etwas verträumt taumelte sie ihre Fäden entlang. Was ging hier bloß vor?

Wieder sah Wanda die Menschen räumen, Dinge aufbauen und umstellen. Besonders in Feuerwehrgarage 2 war einiges im Gange. Wanda machte sich auf den Weg, um sich das rege Treiben aus der Nähe anzuschauen. Dort angekommen, traute sie ihren Augen kaum. Der Raum, den sie wie ihre eigenen Fäden kannte, sah völlig verändert aus. Nur noch wenig erinnerte an eine Feuerwehrgarage. Viel mehr hatte man das Gefühl in einer Art Wohnzimmer gelandet zu sein. Alles war komplett in schwarzen Stoff gehüllt, ein Sessel stand in der Ecke und ein Teppich bedeckte den Boden. Außerdem standen viele Bänke bereit. Sollten hier etwa noch mehr Menschen kommen und in ihrem Zuhause herumsitzen?

Wanda beobachtete alles ganz genau, bis sie schließlich ihr knurrender Magen daran erinnerte, dass es Zeit war in ihrem Netz nach etwas Essbarem Ausschau zu halten. Zurück in ihrem Netz wurde sie fündig. Während die kleine Spinne noch dabei war die letzten Bissen ihrer Nahrung zu vertilgen, traute sie ihren Beinen kaum (genau, denn Spinnen wie Wanda hören mit den Rezeptoren an ihren Beinen). „Ich glaube ich spinne!“, was war denn nun schon wieder los? Wanda machte sich auf den Weg, um den Feuerwehrhof besser sehen zu können und staunte nicht schlecht. Der Hof saß voller Menschen, die alle zu drei Personen schauten, die hinter einem – naja, wie soll man das beschreiben – Spinnenfaden mit bunten Zacken standen.

Einer der drei, ein Mann, erzählte etwas von einem Fest der Kinderbücherei.

Ach ja, die Kinderbücherei. Daran konnte sich Wanda nur zu gut erinnern. Vor einem Jahr hatten sie ein Häuschen voller Bücher vor die Feuerwehr gestellt. Einige von Wandas Freund:innen hatten sich damals sehr gefreut und seitdem dort ein hübsches Zuhause gefunden. Erst neulich hatte Wanda ihre Tante Walpurga besucht, die es sich nun seit einem Jahr in der rechten, hinteren Ecke der Kinderbücherei eingerichtet hatte. Tante Walpurga hatte erzählt wie gut es ihr hier gefiel. Mittlerweile war sie auch Expertin darin, sich perfekt zu verstecken, wenn die Türen geöffnet wurden. Und das geschah oft. Tante Walpurga war der Meinung das halte sie jung. Tatsächlich war sie trotz ihres fortgeschrittenen Spinnenalters noch sehr fit. Der Mann auf dem Feuerwehrhof erzählte nun etwas über die Kinderbücherei und das Kinder und Jugendliche sie gerne nutzen würden. Ja, das hatte Tante Walpurga auch gesagt.

Nun übernahm eine Frau das Mikrofon und stellte verschiedenen Sachen vor, die man heute Nachmittag nutzen konnte. Sie sprach von einem Infostand, ja, der musste da drüben sein,

Kaffee und Kuchen neben der Kinderbücherei, einer Hüpfburg – die war nicht zu übersehen,

sowie einer Schreibwerkstatt, um selbst an einem Buch für die Kinderbücherei mitzuschreiben,

und zuletzt vom Kinderschminken.

Dann bekamen zwei Frauen Blumen. Ah ja, die hatte Wanda schon oft gesehen. Die eine kam immer morgens, die andere abends. Es schien etwas besonderes zu sein, was diese beiden Frauen in der Kinderbücherei machten, denn die Menschen applaudierten und alle schienen sich zu freuen. Wanda beschloss Tante Walpurga beim nächsten Treffen nochmal genauer zu diesen beiden Frauen zu befragen.

Da wurde Wanda von lauter Musik direkt wieder aus ihren Gedanken gerissen. Hinter das komische Spinnennetz der Menschen liefen 13 junge Mädchen. Sie trugen alle schwarze Kleidung und ihre Haare waren zu einem Zopf gebunden. In ihren Gesichtern glitzerte es leicht.

Plötzlich begann ein Lied und die Mädchen fingen an, sich zur Musik zu bewegen. „Tanzen“ nannten das die Menschen, erinnerte sich Wanda. Wow, sah das schön aus!

Die kleine Spinne war fasziniert und ihre acht Beine wippten im Takt der Musik. Als das Lied zu Ende war, gab es lauten Beifall. Das schien auch den Menschen richtig gut gefallen zu haben. Doch Wanda blieb keine Zeit weiter darüber nachzusinnen, denn der Mann vom Anfang nahm erneut das Mikrofon und lud die Menschen in das neue Wohnzimmer der Feuerwehr ein. Dort wollte ein Mann eine Geschichte vorlesen. Andreas Steinhöfel, oder so ähnlich. Wanda machte sich auf den Weg, denn das wollte sie sich nicht entgehen lassen. Da sie für die Strecke zur Feuerwehrgarage 2 deutlich länger brauchte als die Menschen, schallte ihr, als sie näherkam, bereits lautes Gelächter entgegen. Der Mann schien eine lustige Geschichte zu erzählen. Wanda sah, wie ihm die Kinder und Erwachsenen gespannt zuhörten und sowohl kleine als auch große Menschen fröhlich zu sein schienen. Auch die kleine Spinne Wanda hörte zu und schnell merkte auch sie wie die Geschichte des Mannes sie in ihren Bann zog. Toll konnte er erzählen und lustig, dieser Mann. „Der sollte wirklich noch mehr Geschichten schreiben!“, fand Wanda.

Auch nach der Geschichte war Wanda noch wie gebannt davon, was der Mann von sich und seinem Bruder erzählt hatte. Unweigerlich musste sie an ihre 45 Geschwister denken. Ja, da gab es auch viele Geschichten zu berichten. Vielleicht sollte sie sich auch mal darin versuchen. Naja, aber feststand: Dieser Andreas Steinhöfel verstand etwas von dem, was er da tat. Das hatte Wanda genau gespürt.

Schließlich wurde Wanda erneut von dem Mann draußen unter dem Spinnenfaden aus ihren Gedanken gerissen. Die Frau von den tanzenden Mädchen kam nach vorne und einige Kinder stellten sich zu ihr. Na, was würde das denn werden? Interessiert beobachtete Wanda die Frau mit den Kindern. Gelenkig waren sie und alles wirkte sehr beruhigend. Vor ihrem inneren Spinnenauge sah Wanda sich bei der Pflege ihres Netzes. Dort machte sie auch manchmal merkwürdige Bewegungen. Doch jede Bewegung musste von ihr dabei mit Achtsamkeit ausgeführt werden. Nach der Netzpflege spürte sie immer ein wohliges Gefühl in ihrem Körper, denn der hatte bei dieser Tätigkeit Bewegungen gemacht, die er eben nicht jeden Tag ausführen musste. Das was sie dort bei der Frau und den Kindern sah, erinnerte sie an dieses entspannte Gefühl.

Während Wanda noch versonnen die Kinder beobachtete, bemerkte sie sie plötzlich wieder etwas in der Feuerwehrgarage 2, in der sie noch immer saß. Eine Frau richtete sich ein. Ob sie nun gleich auch eine Geschichte erzählen würde?

Ehe sich Wanda versah, hatte der Mann auf dem Hof auch wieder zum Mikrofon gegriffen und lud die Menschen in das neue Wohnzimmer der Feuerwehr ein. Es sollte nun um Mäuse gehen. Wanda fragte sich, ob sie das richtig verstanden hatte und lauschte den Worten der Frau. Die Frau hieß Carolin Ort und hatte ein Buch über eine Maus geschrieben, die auf eine Reise geht – eine Abenteuerreise.

Spannend war das und Wanda konnte so vieles von dem, was die Frau sagte, richtig gut verstehen. Also verstehen konnte sie eigentlich immer alles, denn die Rezeptoren an ihren Beinen funktionierten noch prächtig. „Verstehen im Herzen“ konnte sie das, was die Frau sagte. Wandas Spinnenherz war ganz voll und als die Frau mit den Zuhörer:innen noch ein von ihr selbst geschriebenes Lied zu singen begann, war es um die kleine Spinne geschehen. Ganz ergriffen schaukelte sie im Takt des Liedes. Was ein Tag! Schon jetzt war Wanda sich sicher, dass sie den nicht so schnell wieder vergessen würde.

Sie war noch so bewegt von dem, was sie gerade erlebt hatte, dass sie gar nicht mitbekam ,wie der Mann draußen den Festbesucher:innen erzählte, was nun passieren würde. So kam es, dass auf einmal etwas lautes, rhythmisches an Wandas Beine drang (wie gesagt sind das ihre Ohren). Sie krabbelte ein paar wenige Zentimeter und staunte nicht schlecht. Draußen standen vier Menschen und trommelten.

Wanda spürte den Rhythmus in ihrem ganzen Körper und wurde von der Melodie der Trommeln in ihren Bann gezogen. Am liebsten hätten sich ihre acht Beine zur Musik bewegt, doch um nicht aufzufallen, stimmte Wanda in ihrem Inneren in den Klang ein und spürte wie sie sich innerlich davon hinfort tragen lies und mit den Trommeln auf eine unbestimmte Reise ging. Die kleine Spinne konnte gar nicht genau sagen wie lang die Klänge dieser Musik sie mitgenommen hatten, als sie von dem Beifall der Zuhörer:innen wieder ins Hier und Jetzt geholt wurde.

Erneut kam der nette Mann, dessen Stimme sie mittlerweile schon gut kannte, nach vorne zum Spinnenfaden der Menschen. Wanda war gespannt, denn immer wenn der Mann etwas sagte, passierte etwas Neues. Ah, es ging wieder in die Feuerwehrgarage 2. Die kleine Spinne beobachtete wie zwei Frauen in dem neu eingerichtete Wohnzimmer Platz nahmen.

Die eine stellte der anderen Frau viele Fragen. Die Befragte hieß wohl Maria Weber und hatte ein Buch geschrieben. Irgendetwas mit dem Mond und einem Fest, soviel hatte Wanda verstanden

Wanda konnte selbst nicht lesen, aber sie wusste natürlich was Bücher sind. Die Frau erzählte von ihrem Buch, wie lange sie daran geschrieben hatte, ob sie noch mehr Bücher schreiben will und was sie am Schreiben mag und was nicht. Alle hörten ihr gespannt zu. Auch Wanda lauschte den Worten der Frau und musste an ihren Onkel Waldemar denken. Bei jedem Treffen erzählte ihr Onkel Waldemar etwas übers Weben und das Netz, an dem er grade arbeitet. Er liebte das Weben und Wanda kannte niemanden, der eine solche Leidenschaft dafür besaß. Diese Frau war wohl auch eine Weberin, aber das war es natürlich nicht, warum sie Wanda an Onkel Waldemar erinnerte. Es war ihre Leidenschaft und Begeisterung, die die kleine Spinne in den beiden sah. Auch das berührte Wandas Spinnenherz. Bei Onkel Waldemar ging ihr das immer ähnlich. Sie liebte es einfach Wesen zu erleben, die von dem was sie tun begeistert sind. Wenn sie nur Lesen könnte, war Wanda sich sicher, würde sie sofort das Buch mit dem Mond-Dings von der Frau lesen.

Noch länger saß die Frau mit Kindern und Erwachsenen zusammen, die ihr fasziniert Fragen stellten.

Von draußen drang wieder die Stimme des Mannes an Wandas Bein. Er bedankte sich für den schönen Nachmittag und verabschiedete alle Gäste. Ehe Wanda sich versah, begann es unruhig zu werden. Ähnlich wie am Tag zuvor begannen die Menschen zu räumen und Sachen zusammen zu packen.

Aus dem Wohnzimmer wurde kurzerhand wieder Wandas vertraute Feuerwehrgarage 2 und auch alle anderen Räume verwandelten sich zurück in ihr vertrautes Zuhause. Schließlich erinnerten lediglich die Kreidemalereien auf dem Hof an das, was sich hier heute ereignet hatte.

Um Wanda wurde es still.

Langsam machte sich die kleine Spinne auf den Weg zurück in ihr Netz. Erst jetzt bemerkte sie wie hungrig und müde sie eigentlich mittlerweile war. Als Wanda dann schließlich nach dem Abendessen zum Schlafen bereit an ihrem Faden hing, gingen ihr noch all die Erlebnisse des Tages im Kopf herum.

Immer wieder hatte sie Wortfetzen aufgeschnappt. „Für Dich“ hatten die Menschen oft gesagt. Was das wohl bedeutete? „Für Dich“ sagt man doch eigentlich, wenn man jemandem ein Geschenk macht. Das ist „Für Dich“. Warum war das heute also „Für Dich“? War dieses Fest etwa ein Geschenk? Aber für wen denn?

Eigentlich schenkt man doch nur jemandem etwas, wenn er einem wichtig ist. „Für Dich“ hätte ja jeder dieser Menschen sein können. „Für Dich“, damit könnten ja alle gemeint sein. Waren denn etwa alle wichtig?

„Für Dich“….

Wanda schwirrte der Kopf. „Auf jeden Fall war es ein ganz besonderer schöner Tag „FÜR MICH“, murmelte die kleine Spinne und schwang sich an ihrem Faden ins Land der Träume.

ENDE

(Magdalena Wege)

2 Kommentare

  1. Cornelia Pfeiffer

    Ganz tolle Geschichte!
    Ich gratuliere ganz herzlich! Das muss ein sehr schönes Fest gewesen sein. Gott segne euren Dienst “Für Dich”. Liebe Grüße von Cornelia Pfeiffer

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